„Schein“
(2007), „schalten + walten“ (2012), „Schneisen“ (2013)
oder „Drehmoment“ (2017) entwickeln aus einem manchmal
fast ein wenig kalauernden Wortspiel heraus nicht nur
metaphorischen Tiefgang, sondern eignen sich als
regelrechte Denkmodelle – womit wir wieder bei Deinem
gedanklichen Ausgangspunkt für das Gesamtprojekt wären
und der Frage, warum das überhaupt etwas mit dem von
Dir geforderten „künstlerischen Blick“ zu tun hat. Es
sind eben nicht nur die thematischen Setzungen, die man
auch mit künstlerischen Mitteln bearbeiten kann,
sondern es sind genuin künstlerische Fragestellungen,
die dem Projekt von vornherein eingeschrieben sind:
Zeit, Raum und Bewegung einerseits und Perspektivität,
Transformation und Denkmodell andererseits.
Zeit, Raum und Bewegung waren bereits in der klassischen Kunst Fragestellungen, denen man mit vielfältigen Mitteln zu begegnen suchte: Die damals gängigen Gattungen von Malerei und Skulptur waren als statische Kunstformen mit dem Problem konfrontiert, mindestens die Zeit nur über die Erzählung im Bild oder in der Skulptur transportieren zu können. Man löste dieses Problem, indem man entweder den Kulminationspunkt einer Geschichte festhielt, aus dem sich das Davor und Danach gedanklich entwickeln ließ, oder aber sogar mehrere Etappen einer Erzählung raffiniert verdichtete. Bei der Raumfrage schien die Skulptur zunächst einmal klar im Vorteil, war sie doch gegenüber der Malerei selbst dreidimensional, was der Malerei nur durch illusionistische Erzeugung von Plastizität mittels graphischer und farblicher Modellierung und von Tiefenräumlichkeit durch die zentralperspektivische Raumkonstruktion gelang. Das wiederum gereichte ihr zum Vorteil, konnte sie doch das Verhältnis von Ding und Mensch zum Umraum, ihre Positionierung in der Welt gewissermaßen, zeigen. Die Bewegung schließlich vermochte beides, Zeit und Raum, zu vermitteln, schon allein deshalb, weil Bewegung Zeit braucht und sich im Raum entfaltet. |
Doch
brauchte es lange, bis sich beispielsweise in der
griechischen Antike die Standbilder aus ihrer
archaischen Starre lösten und die ersten zaghaften
Schritte in den Raum taten, bis sie schließlich im
hellenistischen Wirbel sämtliche Raumachsen besetzten –
eine Entwicklung übrigens, die sich von der Romanik
über die Renaissance bis zur manieristischen „figura
serpen-tinata“ und zum Barock nochmal vollzieht.
Dass die Momente von Zeit, Raum und Bewegung aber als eigenständige Themen die Kunst eroberten, geschah erst mit Beginn der Moderne. Futurismus und Kubismus widmeten sich dem in geradezu beispielhafter Deutlichkeit: Während der Futurismus den Gegenstand in Bewegung setzte und wie in einer Chronofotografie verschiedene Etappen der Bewegung ins Bild (und auch in Skulptur) übersetzte, ließ der Kubismus den Gegenstand an seinem Platz, drehte den Betrachter um ihn herum und setzte die verschiedenen Blickwinkel nebeneinander ins Bild – bestes Beispiel hierfür sind die Porträts von Picasso, die Frontal- und Profilansicht miteinander verschmelzen. Wie in so vielen Bereichen, war es auch hier wieder Marcel Duchamp, der dem ganzen die Krone aufsetzte und im Handstreich nicht nur die Frage-stellungen auf den Punkt brachte, sondern sie gleichzeitig auch aus den Angeln hob und ihre Konstruiertheit offenbarte. Mit dem „Großen Glas“ verab- schiedete er die Zentralperspektive als abendländische Konvention von Raumkonstruktion nicht, indem er sie etwa zerlegte, wie es die Futuristen und Kubisten taten, sondern indem er sie einfach wegließ und stattdessen den Realraum selbst zum physischen Bestandteil des Bildes machte. Die „Readymades“ verhandeln das Problem von Zwei- und Dreidimensionalität nicht, wie man meinen könnte und wie durch die arg verkürzte Rezeption als einfache Institutionskritik nahegelegt wird, nach der der Gegenstand selbst sein Abbild ersetzt und damit den Werkbegriff aushebelt. Duchamp hat sich in |
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